Bremsstaubpartikel
Empa entwickelt ausgeklügeltes Messverfahren
26. Januar 2021 agvs-upsa.ch – Seit Partikelfilter vorgeschrieben sind, stossen Verbrennungsmotoren immer weniger Feinstaub aus. Daher geraten Bremsscheiben- und Reifenabrieb immer mehr in den Fokus von Gesundheitsexperten und Ingenieuren. Denn auch sie sind nicht gerade unbedenklich. Doch noch gibt es ein Problem: Wie lässt sich Menge und Grösse von Bremsstaubpartikeln korrekt erfassen?
Quelle: Empa
pd. Der VW Jetta Hybrid auf dem Rollenmessstand im Empa-Motorenhaus hat bereits eine jahrelange Karriere als Flottenfahrzeug hinter sich. Seit Juli 2020 dient er, festgegurtet in der Testkammer, einem neuen Forschungszweck: Er soll Bremsstaub erzeugen, und zwar streng entlang dem normierten WLTP-Fahrzyklus, mit dem auch die Auspuffemissionen ermittelt werden.
Das Interesse an Bremsstaubmessungen ist noch relativ jung: Im Juni 2016 beschloss eine Abteilung der UN-Wirtschaftskommission UNECE namens «Particle Measurement Programme Informal Working Group» (PMP IWG), dass es an der Zeit wäre, ein allgemein nutzbares Testverfahren für Bremsstaub zu entwickeln, mit dem sich Masse und Anzahl der emittierten Partikel zuverlässig feststellen lassen. Seither haben sich einige Forschungsinstitutionen, Fahrzeughersteller und Spezialfirmen für Messgeräte mit dem Thema beschäftigt. Doch das Problem ist nicht ganz einfach zu lösen.
Anderes als ein Auspuffrohr, das verlässlich in eine Richtung bläst, verteilt eine rotierende Bremse ihre Partikel in alle Raumrichtungen. Man muss die Partikel also zunächst einfangen und dann durch einen Trichter Richtung Messgerät fliegen lassen. Bei dem Prozess darf so wenig wie möglich verloren gehen: Weder dürfen leichte Partikel entweichen, noch dürfen schwere Partikel in den Leitungen liegen bleiben.
Zwei weitere Komplikationen kommen dazu: Die Bremse eines Autos steckt an einer rotierenden Antriebswelle, die es für die Messung sorgfältig abzudichten gilt, damit keine Partikel entschwinden. Und eine Bremse braucht Kühlung. Beim fahrenden Auto sorgt der Fahrtwind zusammen mit Ventilationslamellen zwischen den Bremsscheiben für einen kühlenden Luftzug. Eine voll eingeschlossene Bremse auf einem Prüfstand kann dagegen schnell heisslaufen – und würde dann völlig andere Partikel produzieren als im realen Alltagsverkehr. Eine solche Messung wäre von geringem Wert.
Die Arbeitsgruppe PMP IWG der UNECE löst das Problem durch eine Vereinfachung: Die gewünschten Bremsentests sollen in vollständig geschlossenen Prüfständen ablaufen. Solche Prüfstände gibt es. Sie ähneln grossen Schränken, in denen Bremsscheiben und Bremsbeläge aufeinander reiben. Getestet wird also nur ein Bauteil, nicht das ganze Auto.
«Wir versuchen es auf anderem Weg», sagt Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler, der den Versuchsaufbau an der Empa konzipiert. «Wir wollen während eines Fahrversuchs am Prüfstand alle Emissionen eines Autos gleichzeitig messen. Das hat eine grössere Aussagekraft als Daten aus einem isolierten Bremsprüfstand, die dann auf reale Verhältnisse umgerechnet werden müssen.»
Gemeinsam mit dem Ingenieur Daniel Schreiber hat Dimopoulos Eggenschwiler eine Empa-Variante des Tests entwickelt, die nun mit ihren Ergebnissen den Vergleich mit anderen, internationalen Arbeitsgruppen bestehen muss. Bei der Empa steht ein ganzes, reales Auto auf dem Prüfstand, der eingangs erwähnte VW Jetta Hybrid. Die Bremse des rechten Vorderrads wurde mit einem speziell konstruierten Metallgehäuse umhüllt. Ein Druckluftschlauch fördert von der Wagenfront her grosse Mengen Kühlluft in die Blechhülle, zugleich ist die Luft das Transportmedium für die abgeriebenen Bremspartikel. Diese werden neben dem Schweller des Wagens in eine etwa ein Meter lange Röhre gelenkt und landen nach kurzer Flugzeit in einem 13-stufigen Kaskadenimpaktor, einem speziellen Messgerät, das Partikel nach Grösse sortiert. Nach dem Test können die Partikelfraktionen gewogen chemisch analysiert und, je nach Bedarf, auch im Elektronenmikroskop etwa auf ihre Morphologie untersucht werden.
«In Vorversuchen haben wir bereits festgestellt, aus welchen Bestandteilen die Partikel bestehen», sagt Dimopoulos Eggenschwiler. «Es ist vor allem Eisenoxid, das hauptsächlich von der Bremsscheibe stammt, sowie eine Reihe von Elementen wie Aluminium, Magnesium, Kalzium, Kalium und Titan, die von den Bremsbelägen her kommen.» Neben grossen, schweren Partikeln sind auch kleinere dabei, die durchaus eingeatmet und in die Lunge gelangen können.
Nachdem das Messverfahren nun stabil läuft, wird der VW Jetta zunächst im gesetzlich vorgeschriebenen WLTP-Zyklus betrieben und dabei seine Bremspartikel in die Zählmaschine liefern. Danach sind weitere Versuchsreihen geplant. «Wir wollen zum Beispiel herausfinden, ob Hybridautos anders bremsen als Autos mit herkömmlichem Antrieb und dadurch auch andere Emissionen verursachen», erläutert der Projektleiter. Hybridautos können auch mit Hilfe ihres Elektromotors bremsen und müssen die mechanischen Bremsen daher seltener einsetzen. «Mit den Messwerten wird es möglich sein, die Betriebsphasen kommender Fahrzeuggenerationen zu optimieren und die Bremsstaubemissionen besser zu kontrollieren als heute.»
Quelle: Empa
pd. Der VW Jetta Hybrid auf dem Rollenmessstand im Empa-Motorenhaus hat bereits eine jahrelange Karriere als Flottenfahrzeug hinter sich. Seit Juli 2020 dient er, festgegurtet in der Testkammer, einem neuen Forschungszweck: Er soll Bremsstaub erzeugen, und zwar streng entlang dem normierten WLTP-Fahrzyklus, mit dem auch die Auspuffemissionen ermittelt werden.
Das Interesse an Bremsstaubmessungen ist noch relativ jung: Im Juni 2016 beschloss eine Abteilung der UN-Wirtschaftskommission UNECE namens «Particle Measurement Programme Informal Working Group» (PMP IWG), dass es an der Zeit wäre, ein allgemein nutzbares Testverfahren für Bremsstaub zu entwickeln, mit dem sich Masse und Anzahl der emittierten Partikel zuverlässig feststellen lassen. Seither haben sich einige Forschungsinstitutionen, Fahrzeughersteller und Spezialfirmen für Messgeräte mit dem Thema beschäftigt. Doch das Problem ist nicht ganz einfach zu lösen.
Anderes als ein Auspuffrohr, das verlässlich in eine Richtung bläst, verteilt eine rotierende Bremse ihre Partikel in alle Raumrichtungen. Man muss die Partikel also zunächst einfangen und dann durch einen Trichter Richtung Messgerät fliegen lassen. Bei dem Prozess darf so wenig wie möglich verloren gehen: Weder dürfen leichte Partikel entweichen, noch dürfen schwere Partikel in den Leitungen liegen bleiben.
Zwei weitere Komplikationen kommen dazu: Die Bremse eines Autos steckt an einer rotierenden Antriebswelle, die es für die Messung sorgfältig abzudichten gilt, damit keine Partikel entschwinden. Und eine Bremse braucht Kühlung. Beim fahrenden Auto sorgt der Fahrtwind zusammen mit Ventilationslamellen zwischen den Bremsscheiben für einen kühlenden Luftzug. Eine voll eingeschlossene Bremse auf einem Prüfstand kann dagegen schnell heisslaufen – und würde dann völlig andere Partikel produzieren als im realen Alltagsverkehr. Eine solche Messung wäre von geringem Wert.
Die Arbeitsgruppe PMP IWG der UNECE löst das Problem durch eine Vereinfachung: Die gewünschten Bremsentests sollen in vollständig geschlossenen Prüfständen ablaufen. Solche Prüfstände gibt es. Sie ähneln grossen Schränken, in denen Bremsscheiben und Bremsbeläge aufeinander reiben. Getestet wird also nur ein Bauteil, nicht das ganze Auto.
«Wir versuchen es auf anderem Weg», sagt Panayotis Dimopoulos Eggenschwiler, der den Versuchsaufbau an der Empa konzipiert. «Wir wollen während eines Fahrversuchs am Prüfstand alle Emissionen eines Autos gleichzeitig messen. Das hat eine grössere Aussagekraft als Daten aus einem isolierten Bremsprüfstand, die dann auf reale Verhältnisse umgerechnet werden müssen.»
Gemeinsam mit dem Ingenieur Daniel Schreiber hat Dimopoulos Eggenschwiler eine Empa-Variante des Tests entwickelt, die nun mit ihren Ergebnissen den Vergleich mit anderen, internationalen Arbeitsgruppen bestehen muss. Bei der Empa steht ein ganzes, reales Auto auf dem Prüfstand, der eingangs erwähnte VW Jetta Hybrid. Die Bremse des rechten Vorderrads wurde mit einem speziell konstruierten Metallgehäuse umhüllt. Ein Druckluftschlauch fördert von der Wagenfront her grosse Mengen Kühlluft in die Blechhülle, zugleich ist die Luft das Transportmedium für die abgeriebenen Bremspartikel. Diese werden neben dem Schweller des Wagens in eine etwa ein Meter lange Röhre gelenkt und landen nach kurzer Flugzeit in einem 13-stufigen Kaskadenimpaktor, einem speziellen Messgerät, das Partikel nach Grösse sortiert. Nach dem Test können die Partikelfraktionen gewogen chemisch analysiert und, je nach Bedarf, auch im Elektronenmikroskop etwa auf ihre Morphologie untersucht werden.
«In Vorversuchen haben wir bereits festgestellt, aus welchen Bestandteilen die Partikel bestehen», sagt Dimopoulos Eggenschwiler. «Es ist vor allem Eisenoxid, das hauptsächlich von der Bremsscheibe stammt, sowie eine Reihe von Elementen wie Aluminium, Magnesium, Kalzium, Kalium und Titan, die von den Bremsbelägen her kommen.» Neben grossen, schweren Partikeln sind auch kleinere dabei, die durchaus eingeatmet und in die Lunge gelangen können.
Nachdem das Messverfahren nun stabil läuft, wird der VW Jetta zunächst im gesetzlich vorgeschriebenen WLTP-Zyklus betrieben und dabei seine Bremspartikel in die Zählmaschine liefern. Danach sind weitere Versuchsreihen geplant. «Wir wollen zum Beispiel herausfinden, ob Hybridautos anders bremsen als Autos mit herkömmlichem Antrieb und dadurch auch andere Emissionen verursachen», erläutert der Projektleiter. Hybridautos können auch mit Hilfe ihres Elektromotors bremsen und müssen die mechanischen Bremsen daher seltener einsetzen. «Mit den Messwerten wird es möglich sein, die Betriebsphasen kommender Fahrzeuggenerationen zu optimieren und die Bremsstaubemissionen besser zu kontrollieren als heute.»
Kommentar hinzufügen
Kommentare